Zwei Dinge, die ich Zeit meines Lebens niemals nie habe werden wollen:

  1. Eine Mettwurst.
  2. Eine praktische Mutter.

Vor ein paar Tagen fand ich mich also in diesem wunderbar kleinen Kinderlädchen wieder, die – weil sie aufgrund Ihres Erfolges jetzt auf das Onlinegeschäft umsteigen – die Räume leerkriegen und deswegen alles für die Hälfte raushauen müssen.

Jedenfalls hatte ich schon einiges cooles Zeugs zusammengesucht und fand mich plötzlich vor einem Paar liebevoll drapierter Outdoorsandalen wieder.

Wie gesagt: liebevoll drapiert – aber auf den ersten Blick wirklich hässlich.

Einigen Studien zufolge steigt das Kaufrisiko ja erheblich, sobald man einen Artikel auch nur in die Hand nimmt. Um weißderteufelwieviel Prozent.

Und wie es der Zufall so will und weil ich gerade beide Hände frei habe, nehme ich sie zur näheren Betrachtung in meine Griffel. Ich mustere die Sohle, fragte mich, inwieweit mein Kind mit einem festen Klettverschluss zurechtkommen würde und spähe wie aus einem Automatismus heraus schon mal auf den Karton-Schildchen nach der passenden Größe.

Irgendwie bin ich unsicher.

Minne hat Crocs. Minne hat Birkenstocks. Beide sind wegen Verwechslungsgefahr in unserem Kindergarten – und weil sie eben so lose sitzen – eigentlich nichts für den Alltag.

Und der Sommer steht vor der Tür.

Hm.

Und dann der Spielplatz. Ich denke an den Spielplatz an unserem Lieblingssee:
Heißer Sand, Leitern aus Holz.
Splitter. Bienen.
Und Fußballspielen.
Oder Fahrradfahren.
Erst kürzlich hat sich der Nachbarsjunge das Bein gebrochen.

Alles das kommt mir plötzlich vor wie ein riesiges Sammelsurium an potentiellen Gefahren, an dem ich mich nur bedienen muss – und schon landen die Treter guten Gewissens auf dem Stapel mit neuen, funky T-Shirts und den zwei Badehosen.

Ist ja quasi zum Schutz gedacht. Denn der Sommer kann gefährlich sein.

Und die Schuhe?

Sind hässlich, ja.
Aber mit geschlossenen Kappen vorn.

Und rutschfester Sohle.

Mit Sicherheit passgenau und nichts, was während des Radelns abfallen könnte. Meshgewebe.

Bestimmt auch gut zum Fußballspielen auf dem Rasen, denn Minne soll ja keine Schwitzfüße bekommen, denke ich so bei mir.

Oder am Ende womöglich sogar Fußpilz.

Und all dem könnte ich entgehen, wenn ich mich jetzt endlich mal entscheiden würde.

Dazu noch 50 % Off – das ist ja auch nicht zu verachten. Und jetzt bin ich noch unsicherer. Wirklich, ich befinde mich in einem handfesten Gewissenskonflikt. Also knipsen, dem Minnenmscher per iMessage senden und um Rat fragen.

„Ich weiß, sehen hässlich aus – aber wären schon praktisch, oder?“

4 Minuten später kommt zurück:

„Hmmm… „

Ich muss aus der Jacke raus. Viel zu warm hier drin.

„Also?“, schreibe ich, bemüht, mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen.

Noch mal 3 Minuten vergehen, bis ein zögerliches:

„Von hier aus nicht so prickelnd. Aber wie Du sagst: praktisch scheinen sie zu sein. Vielleicht als Einstieg?“ zurückkommt.

Ich gucke auf mein Display.

Gucke auf die Schuhe.

Gehe im Kopf noch mal genau durch, was wir alles daheim haben.

Wie oft Minne wirklich Fußball spielt.

Was bereits alles auf meinem „Das nehm’ ich mit!“-Stapel auf dem Boden der Kinderboutique liegt.

Wie viel Platz im Schuhschrank ist.

Und plötzlich schellen bei mir alle Alarmglocken:
Ich wollte nie, nie, niemals eine praktische Mutter werden.
Ich wollte nie einen Kinderwagen mit Softtragetasche fahren. Oder auf weiße Lätzchchen verzichten.

Und ich wollte mein Kind nie in Cargohosen stecken, selbst dann nicht, wenn sie von miniboden kommen.

Ich wollte nie eine praktische Kurzhaarfrisur – weder für meinen Sohn, noch für mich – nur, um morgens weniger lange im Bad zu brauchen oder kein Gezeter mehr mit der Kämmerei zu haben.

Und jetzt knicke ich ein vor einem läppischen Paar Outdoorsandalen?

Soweit ist es mit mir also schon gekommen.

Pah!

Augenblicklich fühle ich mich gezwungen, ein überzeugtes und deutlich hörbares „Die sehen aber ECHT nicht schön aus!“ durch den Laden zu raunen, die Schuhe lieblos auf den obersten Karton zu knallen, den Stapel mit den T-Shirt zu schnappen, zu zahlen und schleunigst das Weite zu suchen.

 

Minnes Regenanzug auf dem Foto ist von CeLaVi.