Die kleine Alexia kommt lächelnd auf mich zugelaufen: „Meine Mama kommt glaish wieder. Ich hab nish geheult. Meine Mama kommt glaish wieder.“
Ich befinde mich in einer Krabbelstube. Kinder bis zum dritten Geburtstag können hier je nach Bedarf von morgens um sieben bis nachmittags um fünf betreut werden. Die kleine Alexia ist seit etwas über einem Jahr hier.
Die Einrichtung hat einen sehr guten Ruf, wurde erst vor wenigen Jahren eröffnet. Es wird selbst gekocht, es gibt einen gemütlichen Schlafraum und ein großes Außengelände. Hier einen Platz zu ergattern ist mit einer ordentlichen Portion Glück verbunden.
Die Bohne hatte so ein Glück. Ewig stand sie auf der Warteliste. Und jetzt, an diesem Montag im warmen August, stecken wir mitten in der Eingewöhnung.
Nur Minuten später sitzt die kleine Alexia neben mir am Frühstückstisch und weint. Sie ruft leise nach ihrer Mama, während die Erzieherinnen mit einer liebevollen Abgeklärtheit Tellerchen aus Melamin und transparente Becher verteilen.
Ich zähle die Sekunden. Lange Sekunden. „Mama“, schluchzt es noch immer neben mir. Eine Erzieherin unterbricht das Apfelschneiden und zeigt auf die piekfeinen rosa Kletthausschuhe an ihren Füßen: „Sind die vielleicht zu klein? Drücken die? Deswegen weint sie bestimmt.“
Sie nimmt das Mädchen auf ihren Schoß. Mama kommt gleich wieder. Bis dahin ziehen wir mal die Hausschuhe aus. Es ist kurz nach neun am Morgen. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Mama wiederkommt. Das wissen wir alle, nur Alexia weiß das nicht. Woher auch? Mit etwa zweieinhalb Jahren hat man ja noch kein Zeitgefühl.
Die Tür geht auf. Ein Vater kommt herein. An seinem Bein hält sich ein Junge fest. „Heute ist er ziemlich anhänglich…“, begrüßt er die Erzieherinnen in einem entschuldigenden Tonfall. Ein Meer aus Tränen folgt, aber es hilft nichts: Papa muss zur Arbeit und ist sowieso schon spät dran. „Kein Problem, gehen Sie ruhig.“, lächelt eine Erzieherin und nimmt den noch immer weinenden Anton auf ihren Arm.
Mein Blick schweift durch den Raum. Er ist zweckmäßig, aber nicht spartanisch eingerichtet. Von der Decke baumeln selbstgebastelte Kunstwerke, die bunten Pappen biegen sich. Die Sonne scheint durch die großen Fenster. Kleine Hocker und Stühlchen umrahmen eine Art Rittertafel in Miniaturausgabe. Zwei Kinder liegen auf dem grauen Teppichboden und machen nichts. Eine Laufanfängerin stolpert mal hierhin, mal dorthin, macht im Grunde aber auch nichts.
Die Eingewöhnung erfolgt, wie in diesen Breitengraden üblich, nach dem Berliner Modell: Nachdem ich am Montag und Dienstag je eine Stunde mit meinem Sohn im Gruppenraum saß und vorrangig als Zuschauerin agierte, damit er in Ruhe Kontakt zu den Erzieherinnen bekommen konnte, stand am Mittwoch die erste Trennung auf dem Papier.
„Tschüss, mein Schatz. Ich komme gleich wieder, ja?“, verabschiede ich mich. Die Bohne schüttelt vehement den Kopf und hält sich an mir fest. Ich gebe ihm einen Kuss und eile zur Tür.
Jetzt sitze ich auf dem Flur und höre ihn weinen.
Ob das immer alles so richtig ist?
Schon am ersten Tag weigerte er sich die Hausschuhe anzuziehen. Trotzig stand er mit seinen Straßenschuhen in der Hand im Flur und deutete in Richtung Ausgang: „Da! Daaaa!“ – als würde er wissen, was folgt.
„Das schafft der schon“, hallt es in meinen Ohren nach. Ich vermute, diese Worte sollen mich aufmuntern und optimistisch stimmen. Aber leider funktionieren sie nicht; sein Schluchzen ist nur schwer zu ertragen. Ich fühle mich wie eine Verräterin.
Zehn Minuten später geht die Tür noch einmal auf: Ich darf wieder reinkommen. Hat er wirklich toll gemacht, wird mir gesagt. Meine Augen suchen mein Kind, und es sieht ziemlich verheult aus.
So sieht man vielleicht aus, wenn man das toll gemacht hat. Ich weiß es nicht.
Wir verabschieden uns auf den Fuß; er will nicht winken und auch nicht Bye-Bye sagen. Stattdessen vergräbt er sein Gesicht tief zwischen meiner Schulter und meinem Hals.
Und wieder fühle ich mich unfassbar schuldig.
Als wir am Nachmittag als Familie an den See fahren lässt er mich keine Sekunde aus den Augen, nicht mal zum Kiosk schaffe ich es alleine. Mein Mann zuckt mit den Schultern: Keine Chance, er will nicht bei ihm auf der Decke bleiben.
Am nächsten Tag steht eine erneute Trennung an. Ich solle nicht zu lange im Raum bleiben, sonst sähe er mich noch als Inventar an und das würde die Sache ungemein erschweren. Er weint. Mir ist auch zum Weinen zumute. Mein Herz zieht sich zusammen.
Auf dem Flur komme ich mit der Leitung der Einrichtung ins Gespräch. Endlich ein bisschen Ablenkung!
Sie erzählt, dass sie das kennt, dass ihr das damals genau so ging, dass das jedem Elternteil so ergeht. Ich bin ja nun weiß Gott nicht die Erste.
Und wieder frage ich mich: Ob das alles so richtig ist?
Ich versuche ihr klarzumachen, dass die zwei einzelnen Stunden am Montag und Dienstag vielleicht doch ein bisschen zu kurz für ihn waren, um Vertrauen zu den Erzieherinnen zu fassen. Die letzen zwei Jahre waren wir mehr oder weniger unentwegt zusammen – und wenn nicht, dann befanden wir uns in Trennungssituationen, die sich natürlich ergeben hatten: Die Nachbarin, die kurz auf dem Spielplatz aufpasste, während ich am Eiswagen auf der Straße anstand. Die Oma, die ihn mal übers Wochenende mit zu sich nach Hause nahm. Nie war die Verabschiedung ein Problem gewesen.
Jetzt aber steckt er in einer völlig neuen, großen Umgebung mit unzähligen fremden Gesichtern und Geräuschen. Und das ist alles, aber für ihn bestimmt nicht natürlich. Selbst als Erwachsener braucht man auf einer neuen Arbeit mehrere Tage, wenn nicht gar mehrere Wochen, um irgendwie… anzukommen, oder?
Sie lenkt ein: „Das kann sein, das war vielleicht ein bisschen kurz, aber das können wir ja jetzt nicht mehr rückgängig machen.“, sagt sie. Und sie hat recht damit.
Wenn alle immer so leiden, frage ich mich, muss doch irgendetwas faul sein an der Sache. Kann es sein, dass es sich bei einer Eingewöhnung mehr um Resignation seitens des Kindes denn um wirkliche Gewöhnung handelt? Gewöhnung ist doch etwas, das sich aus sich selbst heraus entwickelt. Und nichts, das man nach einem Schema F forciert.
Und kann es sein, dass die Kinder einfach irgendwann aufgeben, nach ihrer Mama zu rufen – das aber nichts am alltäglichen und immer wiederkehrenden Trennungsschmerz ändert? Die kleine Alexia kommt mir wieder in den Sinn. Vielleicht ein besonders hartnäckiger Fall?
Oder ist das Alter einfach ungünstig?
Vielleicht hätte ich mit der Eingewöhnung starten sollen, als die Bohne noch ganz klein war und es nicht gecheckt hätte. Vielleicht mit 9 oder 10 Monaten. Vielleicht aber sollte ich es auch erst machen, wenn er alt genug ist, um mich zu verstehen. Mit vier Jahren vielleicht, wenn man sagen kann: Ich bin jetzt so lange weg, wie eine Folge Feuerwehrmann Sam dauert. Und dann komme ich wieder und alles läuft wie sonst auch, okay? Und womöglich würde es ihn nicht mal interessieren.
Wäre das dann nicht einfacher für alle Beteiligten?
Nur: Wir müssen ja. Und wir wollen ja auch: Arbeiten gehen, Arzttermine wahrnehmen, Ämtergänge machen, vielleicht sogar mal eine Stunde beim Frisör sitzen oder irgendwelche ehrenamtlichen Tätigkeiten ausführen. Ihr wisst, was ich meine, stimmt’s?
Also bin ich hin- und hergerissen. Ich würde mir gerne mal drei, vier Stunden am Vormittag freischaufeln, um alles das zu tun, was ich nicht tun kann, wenn mein zweijähriger Sohn dabei ist. Auch, um alles das zu tun, das ich in den letzten zwei Jahren nicht mehr tun konnte.
Gleichzeitig aber fühle ich mich eben wie eine Verräterin.
Es ist Freitag. Alexia begrüßt mich wie alle vier Tage zuvor mit den Worten: „Meine Mama kommt glaish wieder. Ich hab nish geheult!“
Ich habe einen Kloß im Hals. Ich blicke zu meinem Sohn rüber, der sich gerade zaghaft darauf eingelassen hat, mit einer der Erzieherinnen ein Buch anzugucken. Er lächelt sogar ein bisschen dabei. Leise keimt Optimismus in mir auf: Was, wenn alles gut geht?
Dann beuge ich mich zu Alexia runter und flüstere:
„Ja, Deine Mama kommt gleich wieder.“
Mama kommt gleich wieder.
Das ist so traurig. Da steckt so viel Wahrheit drin. Was wäre es doch für ein schönes Deutschland, wenn Familie – Müttersein- mit Arbeit VEREINBAR wäre!! Kindern so lange sie es brauchen das Gefühl zu geben: ich bin immer da, wenn du mich brauchst. Dann würde es sicher keine Amokläufer, keine trumps und keine kleinen Tyrannen geben…. aber was wissen wir schon 🤷♀️…
Trump war nie in einer Krippe und auch Hitler und Stalin nicht. Diese Aussage ist ,das Krippen Amokläufer und Tyrannen hervorbringt, mehr als grenzwertig! Das Problem ist, dass die falschen Prioritäten von vielen Eltern gesetzt werden. Junge Erzieherinnen sind pädagogisch sicher auf dem neusten Stand aber ihnen fehlt oft der“Weichspüler“ , den eine Erzieherin abbekommen hat, welche selbst Mutter ist. Auch macht selbstgemachte Essen und ein großer Außenbereich keine gute Krippe wenn der Leitfaden und das pädagogische Prinzip nicht stimmen. Und auch das bringt alles nichts wenn das Team nicht passt oder der Träger nur auf Gewinn aus ist. Auch ist es oft so dass die Mamas arbeiten müssen und keine Oma in der Nähe wohnen. Es geht auch nicht allen Kindern schlecht in Krippen und oft wird die Unsicherheit der Mütter auf das Kind übertragen, so dass das Kind sich unbewusst gar nicht auf die neue Umgebung einlassen kann, da es die Zweifel der Mütter spürt. Die kleine Alexia ist in jedem Fall ein sehr armes Kind und lässt auch mir die Tränen kommen. Ich halte diese Einrichtung von der Beschreibung her für keinen Glücksgriff, auch wenn es eventuell selbst gekochtes vegetarisches Bioessen gibt. Alexia wären sicher ein paar popelige Spaghetti mit Tomatensoße lieber, wenn dafür eine Erzieherin da wäre die das Kind sieht und auf den Arm nimmt und tröstet. Ich bin selbst Pädagogin und habe auch einige Zeit in mehreren Krippen gearbeitet. Wir haben immer nur in Anlehnung an das Berliner Modell eingewöhnt, denn nicht das Modell ist entscheidend sondern das Kind (und die eingewöhnen Person)! Ich habe oft erlebt das es für die Eltern wichtiger war welche Ausstattung, Angebote (Sport, Sprachen,…)wichtiger waren als unser jeweiliges Konzept und wir als Erzieher als Bezugspersonen und Team. Und ich hatte sehr junge tolle Kollegen, aber ohne die erfahrenen Kollegen, welche Mamas und Omas sind, hätte den jungen Kollegen und auch mir oft der „Weichspüler“ gefehlt, der ein gelungenes Zusammensein und aufeinander eingehen erst möglich macht. Die Mischung ist wichtig. Und am wichtigsten ist, das egal welches Konzept in der Einrichtung umgesetzt wird, immer das individuelle Kind in Mittelpunkt seht und nichts anderes!
Es sind halt Dinge, die wohl die Mehrheit der arbeitenden Mütter und Väter durchmachten muss. Ich bin froh, dass die Eingewöhnung mit einem Jahr bei uns wirklich reibungslos klappte. Klar wurde da auch ab und an ein Tränchen verdrückt aber was bei uns immer zieht, ist das Winken an der Scheibe. Ist so ein Ritual bei uns geworden. Und es geht nun mal auch nicht anders. Umso mehr genieße ich die Zeit die man zusammen hat wie zB jetzt im Urlaub 👨👩👧🌴🌞
Ich weiß genau wie du dich fühlst ! Unsere Eingewöhnung dauerte 4 Wochen 🙈 die schlimmsten 4 Wochen meines Lebens , nie hab ich mich schlechter gefühlt , nun ist sie festes Inventar , hat richtige Fans gefunden, wenn ich sie abhole, schreien alle Kinder der Gruppe „Tschüss Louisa bis morgen wir freuen uns auf dich“ und mir wird bewusst, das der kleine Schelm alle um ihren Finger gewickelt hat. Und meine einst furchtbarste Zeit so schön geworden ist ! Denn ich sehe das sie dort angekommen ist, sich wohlfühlt! Ich kann sie mit einem lachenden und weinenden Auge hinbringen, ihr gefällt es dort ! Dennoch gibt es Tage wo ich Angst habe das sie es mir irgendwann krumm nimmt das ich sie „abgeben“ musste . Jeder hat sein eigenes Tempo, bei dem einen klappt die Eingewöhnung nach 3 Tagen , bei dem anderen 4 Wochen . Sich selbst keinen Stress machen ist denke ich das beste / einfachste . Denn als ich angefangen habe durchzuatmen -zu verschnaufen, merkte ich das sie sich besser auf alles einlassen konnte, weil sie merkte das meine Anspannung weg war !
Die Eingewöhnung steht uns im Dezember bevor. Er wird dann allerdings schon drei. Mir war es wichtig, dass ich sie nicht so früh betreuen lassen muss. Wir haben es ja „damals“ auch nicht anders gehabt. Ich hoffe, dass er, dadurch daß er schon drei ist, besser versteht und auch schnell Vertrauen zu den Erziehern bekommt.
Wir sind in einem Waldkindergarten. Die Eingewöhnung kann jeder so gestalten wie man möchte. Das finde ich auch nicht schlecht. Ich lasse ihm alle Zeit der Welt.
Ich glaube auch nicht, dass die Kinder uns als Inventar ansehen im KiGa. Das ist ja schon eine andere Welt und wenn sie sich dort wohl fühlen dann auch ohne Eltern.
Jedes Kind hat dabei sein eigenes Tempo. Aber mir zieht sich auch schon alles zusammen, wenn ich ihn dort lassen muss. Es ist halt auch für mich neu und warum soll er so super schnell mitmachen, wenn selbst ich aufgeregt und naja mich unwohl fühle in der ersten Zeit.
Ich bin der Meinung,dass nichts übers Knie gebrochen werden sollte. Da darf das ganze auch ruhig länger als 4 Wochen dauern. Soviel Zeit sollte immer irgendwie eingeplant werden.
Dir alles Gute und hör auf dein Gefühl, es muss für euch beide passen. 💚
Absolut emotionaler Text und wunderbar geschrieben ☝🏻 Wir haben vor 2 Wochen mit der Eingewöhnung begonnen und inzwischen klappt es auch (glücklicherweise) ganz wunderbar. Allerdings wendet unsere Kita/Kiga kein Modell an sondern alles im Tempo des Kindes/Mama/Papa.. wir haben es trotz Anhänglichkeitsfaktor hoch 157474, tatsächlich ohne eine einzige Träne geschafft! Ich glaube die Eingewöhnung klappt einfach am besten wenn das Kind und auch die Mama bereit sind.. mein Sohn war das mit seinen 3 Jahren nun.
Puh. Und ganz ehrlich: das Berliner Modell hat einen Haken! Es lässt die Individualität weitestgehend außer Acht. Wir nehmen es nach wie vor in unserer Krippe als Grundlage, allerdings mit unseren (aus Erfahrung und gesundem Menschenverstand für positiv befundenen) Änderungen. Mindestens 2 Stunden die ersten drei Tage, ohne Trennung. Erzieherin und Mutter unterhalten sich viel, sind stets beisammen. Das Kind spürt: die neue Person hat Interesse an meiner Mama. Meine Mama an ihr. Die erste Trennung am vierten Tag. Nicht länger als 10 min. Egal, ob das Kind weint oder spielt. Und ab da wird vollkommen individuell entschieden… was kann das Kind leisten, wozu ist die Mutter bereit. Jeder tickt anders, jeder bringt ein eigenes Päckchen mit. Und das muss beachtet werden. Und man kann sehr wohl noch mal zurückrudern. Und immer immer immer hören wir auf das Gefühl der Mutter, denn nur sie kennt ihr Kind in und auswendig. Wir können beratend zur Seite stehen. Wir Erzieher werden von den Eltern zu einer ErziehungsPartnerschaft eingeladen, wir sollten es nicht mit „das machen wir aber immer so“ versauen. Wir sollten hinsehen und dankbar den Vertrauensvorschuss annehmen. Wir bekommen das kostbarste, was Eltern haben. Und es sind alles Einzelstücke. Keines wie das andere.
(Mutter steht stellvertretend auch für Värer oder andere feste Bindungsoersonen, welche die Eingewöhnung machen)
Toller Kommentar! 💕 hört sich nach eine tollen Einrichtung an! 👍🏻
Das geht ans Herz. Ich bin selbst Erzieherin u wir arbeiten nach einem anderen Modell. Die Eltern bleiben komplette sechs Tage mit dabei u erleben – je nach gebuchter Zeit- den gesamten Tagesablauf. Wir versuchen den kleinen Menschen den Tag so angenehm wie möglich zu gestalten, aber nicht jeder fühlt sich überall wohl. Geht uns Erwachsenen ja nicht anders. Und immer wieder denk ich mir das die kleinen für ihr zartes Alter schon ganz arg funktionieren müssen….
Oh man, Ich heul gleich. So ein emotionaler Text…
Es ist schon grausam, diese erste Zwangstrennung. Ich hatte bei meiner großen damals den Luxus sie erst mit drei in den Kindergarten zu „stecken“. Bei der Mittleren wird das nächstes Jahr auch so laufen, aber mein Baby… Wenn es schlecht läuft muss ich sie, aufgrund von Arbeit (was sonst…?) auch bereits nächsten Sommer, mit nur einem Jahr, von mir entwöhnen. Das bricht mein Mamaherz. Ich bin davon überzeugt, dass Kinder sich erst ab einem gewissen Alter bewusst trennen können und dann damit auch klarkommen. 1 Jahr ist da einfach viel zu wenig. Was da noch dazukommt. Mein Zwerg kann mir Mittags nicht sagen ob es gut war, ob sie mich bis zum Mond und zurück vermisst hat, ob, und das wäre das Furchtbarste, sie nicht gut behandelt wurde… Es ist einfach schlimm, für alle Beteiligten. Man fügt sich halt in diese Maschinerie, aber das schlechte Gewissen und auch die Sorge um das Kind bleiben.
du triffst den nagel auf den kopf. ganz ähnliches hab ich in der eingewöhnung erlebt. mein sohn ist aber schon knapp über 3. am dritten tag sollte ich bereits gehen und mein kind wurde regelrecht panisch. ich bin nicht gegangen. habe gesagt, dass es dafür viel zu früh ist. auch am vierten tag nicht. ich saß ab tag vier immerhin im flur und nicht mehr mit in der gruppe. und als er dort zwei tage eine stunde lang spielte ohne zu mir rauszukommen haben wir am nächsten tag die trennung gewagt. es klappte. ohne weinen, sondern mit winken und „tschüss mama“. ich denke man müsste den kindern viel viel mehr zeit geben um anzukommen und vertrauen zu fassen. wie du schon sagtest.. nach 2 stunden bei einer neuen arbeitsstelle sind wir doch selber nicht mal ansatzweise angekommen. ich hab das glück meinem kind alle zeit der welt lassen zu können, weil ich nicht arbeiten muss. wir sind in der vierten woche der eingewöhnung und er bleibt aktuell 2 stunden dort. wir steigern uns langsam. wie es für IHN passt. und nicht nach irgendeinem modell.
Verstehe dich sehr gut…wir haben die Eingewöhnung mit unserem Wurm (1jahr) im August gehabt … lange vier Wochen aber jetzt ist er wirklich angekommen und geht gerne hin… es tut im Herzen weh aber leider geht es bei vielen nicht anders … was schade ist aber ich glaube auch das es den Zwergen nicht schadet … so haben sie viel mehr Input und können an Aufgaben wachsen …
Wir hatten auch eine lange Eingewöhnung. Ca. 6 Wochen hat es gedauert aber ich bin tatsächlich geschockt dass die Eingewöhnung nach einem Plan gemacht wird. Hier wird es von Kind zu Kind individuell gemacht und anders kann ich es mir auch garnicht vorstellen. Kenne ich aus meinem Umfeld so auch nicht 🤷🏼♀️
Das kommt mir alles so bekannt vor. Ich habe meinen Sohn damals nicht weinen lassen. Habe ihn nach 4 Tagen wieder mit heim genommen. Jetzt, 2 Jahre später ist er 4 und geht seit heute alleine in den Kindergarten…nach 5 Wochen Eingewöhnung, in denen mein Mann oder ich täglich mit ihm im Kindergarten waren.
Ich denke es ist von Kind zu Kind unterschiedlich, für uns war es keine Option ihn weinen zu lassen, sonst wäre er gar nicht gegangen.
Er hat noch zwei kleine Geschwister, von daher bin ich eh zu Hause, natürlich optimal da wir alle Zeit zur Eingewöhnung haben.
Ich würde mir trotzdem immer viiieeeeel Zeit dafür nehmen, da ich denke dass es viel im Urvertrauen kaputt machen kann.
Alles Liebe für euch,
Martina (Erzieherin und Mama von 3 Jungs)
Hallo Tessa!
Ich verfolge deine Beiträge bei Insta seit der zweiten Geburt. Und ich bin begeistert, dass du so unglaublich reflektiert und fair bist! Irgendwie immer. Bei jedem Krisenthema.
Nun, Betreuung finde ich persönlich sehr schwierig.
Ich werfe mal das Wort Urvertrauen in die Runde. Ein wichtiger Grund eine Betreuung unter 3 Jahren nicht zu präferieren, wenn die Kinder es gut bei den Eltern haben. (Wir wissen alle, dass es auch viele Kinder gibt, die unter sehr unschönen Umständen auf die Welt kommen und Dinge ertragen müssen, vor denen sie eigentlich geschützt werden sollten)
Die meisten Kinder werden allerdings zum ersten Geburtstag eingewöhnt. Es ist ja irgendwie Normalität und es macht halt jeder so. Man erntet auch nicht gerade Beifall, wenn man dieses System hinterfragt. Und dann sind da tatsächlich die Alexia’s auf dieser Welt, die irgendwann resignieren. Es gibt Forschungen diesbezüglich im Zusammenhang mit dem Stresshormon Cortisol(?), dass trotz augenscheinlich eingewöhntem Kind auch noch Monate nach der Eingewöhnung ungesund hoch ist. Dieser schon eher chronisch anmutende Stress kann langzeitschäden hervorrufen. (Kann bitte jeder selbst erlesen)
Grundsätzlich denke ich: muss jeder selbst wissen. Aber eigentlich tun mir diese Zwerglein sehr leid! Der Fall von Alexia klingt auch mehr danach, als ob sie belohnt oder bestraft wird, wenn sie nicht weint oder eben ihrem Trennungsschmerz nachkommt. Warum sonst rechtfertigt sie sich die ganze Zeit? Und, warum können Erzieher nicht ganz ehrlich diesen Tremnungdschmerz ihr gegenüber benennen? Ihr wird damit doch eher vermittelt, dass es nicht richtig ist so zu fühlen und sie völlig verkehrt ist.
Klar, der Aufwand wäre noch höher dieses kleine Mädchen zu trösten. Aber, was wird wohl aus diesem Menschlein, dass in so jungen Jahren lernen muss, dass Trennungsschmerz ein verkehrtes Gefühl ist, man so nicht sein darf und letztendlich auch nicht aufgefangen wird, wenn man es braucht. Wie soll man in 2 Jahrzehnten einem Menschen vertrauen und ehrlich in der Äußerung seiner Gefühle sein, wenn man doch gelernt hat, dass es völlig falsch ist? Wie soll man da gesunde Beziehungen führen? Vor allem nicht, wenn die Eltern das weinen bestrafen/untersagen. Bei mir läuten die Alarmglocken.
Betreuung sollte so nicht sein. Auch eine Eingewöhnung nicht auf diese Art. Aber welche Chance hat man, wenn man in einem Land lebt, in dem der Status wichtig ist. Jobs, Geld, Urlaub, schicke Wohngegend, teure Möbel, instatauglich, gestylt … Wer will schon mit 2 Kindern 4 Zimmer auf 75qm2 bewohnen? In einem Viertel, dessen Gebäude die besten Tage lange hinter sich gelassen haben? Wer will auf Urlaub und Frisuer verzichten? Oder sich mit allen anderen in die Öffentlichen quetschen? Oder eben nur den 300€ Kinderwagen schieben anstelle des neuesten Hipsterteils, den alle großen Blogger anpreisen? Wie soll man eine andere Wahl haben es anders zu machen als alle anderen, wenn man plötzlich der Außenseiter ist, sobald man einen Mücke tätigt, dass das doch eigentlich überhaupt nicht gesund ist?
Ich wünsche euch viel Glück und gute Erlebnisse/Erfahrungen mit der Betreuung. Und lasse dir den Hinweis da, dass das Bauchgefühl nicht besteht, damit man es ignoriert und denen nachgibt, die das einfach so hinnehmen, weil es ja alle so machen.
In unserer Kita hieß es, als ich 9 Monate nach der Eingweöhnung meinen traurig umhertapsenden Sohn abholte : „der is irgendwie noch nicht so richtig hier angekommen“. Ja danke auch, dachte ich mir , wie auch, wenn ihm hier keiner dabei hilft. Auch bei Kind Nunmer 3 nichts als Grundversorgung- und das macht mich so traurig. Hat dazu geführt, dass ich ihn immer so früh wie möglich abhole, mich der Arbeit einfach nie Zeit für mich habe. Habe noch immer das Gefühl, ihn da rausholen zu müssen, jetzt ist er bald in der Vorschule. Und dein Bericht hat genau dieses Gefühl so gut auf den Punkt gebracht. So schön- berührend. Jasmin
Zum Heulen schön. Da weint mein Mamaherz.
Bei der zweiten Eingewöhnung von meinem Sohn im Oktober genau das gleiche. Alle (!) kleinen zweijährigen die eingewöhnt wurden waren noch nicht bereit alleine dort zu bleiben! Und schon wurden die nächsten eingewöhnt. Mein Sohn hat es erstaunlich schnell geschafft ohne Tränen, er ist jetzt 3 3/4. aber geht auch vorerst nur 2 1/2 Stunden hin, mehr ist denke ich Zuviel. Es wird nach dem Berliner Modell eingewöhnt aber nicht starr, mehr als Anlehnung und wenn gemerkt wird das Kind oder Mama noch nicht soweit ist wird es anderst gemacht. Mein Sohn war ab Tag 4 zb schon 2 Stunden dort(auf eigenen Wunsch weil er mit raus in den Hof wollte). Und ich war die erste Stunde hinten im Zimmer gesessen als Sicherheit. Und was mir wieder aufgefallen ist: selbst wenn die Erzieherinnen auf die Kinder eingehen können sie das gar nicht so wie das vor allem die ganz kleinen brauchen, denn bei zu wenig Erzieherinnen pro Gruppe ( und 3 sind einfach zu wenig! Da ja dauernd die. Krank, auf fobi, auf dem Klo, am aushelfen in der anderen Gruppe etc ist). Wenn eine Erzieherin pro Gruppe zuständig ist kann sie sich nxiht so kümmern wie es eigentlich nötig wäre…..
😭 Ach, das machen wir gerade durch und ich fühle jedes Wort… Unsere Eingewöhnung hat am 1.02. angefangen und ist immer noch nicht abgeschlossen. Corona und Notbetreuung hin oder her, meine Tochter „braucht Zeit“. Und das schlechte Gewissen plagt mich so oft. Wiederum sehe ich sie in der restlichen Zeit ausgeglichen und fröhlich, das muss erstmal reichen, um das Gedankenkino zu beruhigen. Aber noch schmerzt es sehr, wenn ich sie in der Früh abgebe und sie extra wegschaut, wenn ich ihr tschüss sage 😔.
Und darf ich bitte hier an der Stelle behaupten, dass dieses Bild dein schönstes Bild ist und dass ich jedes Mal weinen könnte, wenn ich es anschaue?
Es fehlt einfach das Personal – Qualitativ und Quantitativ. Das wird seit Jahren immer weniger. Aktuell mit der PIA-Ausbildung mit verkürzter Ausbildungszeit und mit verkürzter Lernzeit – dafür kann man schon Geld verdienen. Im Endeffekt ein Versuch den Mangel an Quantität durch verringerung der Qualität etwas aufzuwiegen. Sinnvoll wäre die Ausbildungsstandards anzuheben. Das würde natürlich merh Geld kosten. Doch wo ist es besser investiert?