Zwischenrein hier mal ein bisschen schwerere Kost.

Ich lümmele gerade mit dem Minnenmacher auf der Couch rum und verfolge im Fersehen fassungslos die Beiträge über die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland.
Dazu habe ich neulich auch einen prima Artikel gelesen.

Und der ging ungefähr so:
„Bei den Diskussionen über Flüchtlinge vermisse ich Leserzuschriften von ehemaligen DDR-Bürgern, die 1989 über Ungarn in den Westen geflohen sind. Wir hatten keinen Krieg und mussten nicht Hunger leiden. Aber für die Befriedigung ihrer Sehnsucht nach Reisen in ferne Länder und große Autos nahmen Familien samt Kleinkinder große Strapazen auf sich, um in ein gelobtes Land zu kommen. Diese Leute müssten die Flüchtlinge doch am besten verstehen und ihnen helfen.“

Und dann blicke ich wieder auf die Mattscheibe und kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich Interviews sehe, in denen alte Männer in Feinripphemd und mit Jägermeister-Käppi auf der blanken Birne entrüstet über Zuwanderer schimpfen. Über Flüchtlinge, Sozialschmarotzer, Asylsuchende, Ausländer überhaupt. Und dann lassen sie – warum auch immer – so einen widerlichen Glatzkopf zu Wort kommen (ich bin mir sicher, er raucht Jakordia), der die Bühne nutzt um seine -hierunglaublichwiderwärtigesattributeinfügen- Parolen in die Welt hinaus zu tragen.

Ich weiß nicht, nennt mich naiv, aber: ich bin immer davon ausgegangen, ein Mensch, der atmet und aufrecht gehen kann, dessen Kopf kann nicht solche Gedanken fabrizieren. Ich meine: der Kopf funktioniert doch – wie passt dann so etwas hinein?

Ich erinnere mich auch noch mit Schaudern an einen Klassenkameraden aus der 10.ten, der hatte ähnliche Züge. Selbst dumm wie Brot und sah aus wie eine Bratpfanne – natürlich – aber er war ganz groß darin, während des Matheunterrichtes die Reichskriegsflagge auf seinen Schulordner zu malen. Mit Stabilostiften. Und Hingabe. Und just gerade habe ich bei Facebook mal nach ihm geschaut: er arbeitet wohl regelmäßig bei Farmville, ist im echten Leben aber erwerbslos und seine Profil- und Titelbilder lassen vermuten, dass sich an seinen Gedanken nichts geändert hat. Eine Stammtischparole nach der anderen.

Dabei könnte es so einfach sein: Empathie! Empathie! Man braucht doch nur ein Mindestmaß an Empathie.

Ich meine, die einfachste Methode, sein Gehirn wieder auf Normalzustand zu bringen, ist doch, sich vorzustellen, wie es einem selbst gehen würde als jemand, der sein Zuhause verlassen muss. Mit Kindern oder ohne oder stellt Euch vor, Ihr müsstet Eure beste Freundin zurücklassen. Oder Eure Eltern.
Wie würde es einem gehen, als Flüchtling?

Die Perspektiven tauschen. Das ist doch gar nicht schwierig.

Ich stelle mir also vor, ich sitze nicht mit meinem platten Arsch auf der Couch und schütte mir gemütlich die Nicnacs in den Rachen, während meine in Kuschelsocken verpackten und pedikürten Füße gemütlich vor sich hin kreisen – sondern ich stehe mitten im Kriegsgeschehen. Meine Kinder sind halbverdurstet oder verhungert, ich selbst bin auch nur noch Haut und Knochen und friere erbärmlich. Ich habe kein Dach über dem Kopf, neben mir fallen unentwegt Bomben zu Boden, Minne hat mit seinen fünf Jahren schon unzählige Leichen gesehen und wir wissen nicht, ob wir morgen Früh noch leben.

Und dann bietet mir niemand von Euch Unterschlupf an. Aus Angst. Aus Angst vor allem Möglichen. Dass ich Euch den Arbeitsplatz wegnehmen könnte. Oder die Sozialwohnung. Oder mich an Euren Frauen vergehen könnte. Oder dass meine Kinder mit Euren spielen wollen.

Wisst Ihr, wir haben den Kühlschrank so voll, dass man kaum noch das Licht sieht wenn die Tür aufgeht.
Wir haben das Glück, von unserem Sozialstaat aufgefangen zu werden. Wir haben eine Krankenversicherung und selbst, wenn wir nicht arbeiten gehen können oder wollen, müssen wir nicht auf der Straße leben.
Uns geht’s gut, so gut. Und der Kuchen ist riesig. Und haben wir als Kind nicht schon beigebracht bekommen, dass man teilen muss, wenn man kein Arschloch sein will?

In Zuge dessen bin ich übrigens auch noch hierüber gestolpert:

„Selbstverständlich klauen Dir Ausländer Deinen Job! Aber wenn Dir jemand ohne Geld, Kontakte und Sprachkenntnisse Deinen Job wegnehmen kann, bist Du vielleicht einfach nur scheiße.“

Wollt‘ ich nur mal loswerden.

Musste mich mal kurz auskotzen.

Danke.