Vor den Urlaub haben die Götter den Packstress gesetzt. Zumindest dann, wenn man Mutter ist.

Das Wetter hier in Österreich sollte durchwachsen werden und mit zwei Kindern, zwei Erwachsenen und nur sehr eingeschränkten Waschmöglichkeiten vor Ort… Na, Ihr könnt’s Euch denken.

Und während des Klamottensortierens habe ich das Gedankenspiel gewagt, wie es wäre, wir würden für immer Abschied nehmen von unserer Butze.

Es fiele mir so unendlich schwer; ich komm‘ so gerne nach Hause. Ach, was red‘ ich: wir alle!

Mensch, was wir hier schon erlebt haben:

die ersten eigenen vier Wände zu zweit und ich weiß noch, wie wir damals im Schlafzimmer lagen und an die Decke starrten, auf raschelnden Matratzen auf dem Boden, eingepackt in Cellophan. Grinsend.

Die Bude leer, aber unsere Ideen hallten durch alle Räume: „Hier kommt der Esstisch hin!“, haben wir gesagt, „und hier das Sofa!“

Der Boden war noch piekfein und ohne einen einzigen Kratzer. Wir konnten’s nicht erwarten, ein bisschen Leben reinzubringen.

Das erste Mal Nudelnkochen in einer jungfräulichen Küche, das erste Mal Einkaufengehen, das erste Mal neues Besteck in neue Schubladen einsortieren.

Mein Herz tat jedes Mal einen Satz vor Glück!

Später stellte der Minnenmacher den Maxi Cosi auf die Küchenzeile und sagte: „Wenn Du 18 bist, holen wir Dich genau hier wieder ab.“ – das war vor fast sechs Jahren, als wir gerade mit frischem Minne aus dem Krankenhaus kamen. Plötzlich wohnten wir dort zu dritt, plötzlich als Mutter-Vater-Kind. Ich bin mir manchmal gar nicht so sicher, ob ich das bis heute eigentlich realisiert habe.

Das Arbeitszimmer mauserte sich nach und nach zum Kinderzimmer, die Kommode im Schlafzimmer wich einem Babybett und es passte auf den Zentimeter genau – vom Holzbalken bis zum Lichtschalter – obwohl wir es vorher nicht ausgemessen hatten. Und wir sehnten die Zeit herbei, dass uns Minne endlich selbstgemalte Bilder schenken würde, mit denen wir unseren Kühlschrank und die Wände tapezieren konnten.

Davor aber tat er seine allerersten Schritte in unserem Bad, früh morgens um sieben, wackelig vom Ikearegal bis zum Toilettendeckel und wieder zurück. Meine frisch getuschten Wimpern flossen in kleinen Bächen geradewegs über meine gepuderten Wangen; der Stolz verteilte sich gleichmäßig über alle Zimmer und kam mit bis zur Arbeit.

Wie oft haben wir hier die Türen zugeknallt vor Wut, wie oft uns danach in den Armen gelegen. Wie oft warteten wir abwechselnd auf das erlösende Schlüsseldrehen am Abend: „Binzuhausewerno-hoch?“

Endlich die Welt aussperren, die Jogginghose anziehen, den BH aus, die Haare hochstecken. Nach mir die Sintflut – jetzt bin ich erst mal daheim.

Wir haben krumme Nägel in die Wand geschlagen, schiefe Vorhänge in Balken gebohrt, wir haben für Geburtstage dekoriert, Adventskalender aufgehängt und unzähligen Pflanzen den sicheren Tod beschert. Leider.

Diverse Lichterketten kamen und gingen, diverse Weihnachtsbäume sowieso. Unzählige Male habe ich alle Schränke ein- und wieder ausgeräumt, insbesondere während der Schwangerschaft.

Wir haben gemeinsam verschüttete Säfte aus Teppichböden oder dem Sofa gerubbelt, den Typen von der Spedition bestochen, damit er uns die Waschmaschine anschließt. Wir haben den Esstisch mindestens fünf Mal umgestellt, und immer sah er genau richtig so aus.

Wir haben uns angefreundet mit nahezu allen Postboten hier, und für unser Klingelschild habe ich drei Anläufe gebraucht, bis ich zufrieden war damit.

Während unseres ersten Sommers zuhause gab es eine wahre Mückenplage und es war unendlich heiß. Allabendlich saßen wir auf dem Balkon, bei Wein und Tee und Chips und haben uns gefreut über uns und unser Zuhause und alles, was wir hier noch erleben würden. (Und diese stinkenden, aber sehr wirksamen Zitronellakerzen.)

Minnes Wiege hing in der Küche, danach seine Babyschaukel. Später saßen Besucherkinder zu zweit auf seinem Hochstuhl, es war laut und trubelig und ständig lag irgendwas auf dem Boden. Sobald es warm wird, bringen die geöffneten Balkontüren einen sanften Wind hier rein. Draußen ist es fast immer leise, man hört höchstens die Vögel zwitschern oder das Gedudel des Eiswagens. Und drinnen? Quatschen und Lachen und Kochen und einlaufendes Badewasser.

Genau so wollte ich es immer haben.

Ja, unsere Bude war ein echter Glücksgriff.

Eine ganzer Haufen Freunde besuchte uns über die Jahre: Von mindestens vier Schwangerschaften habe ich hier erfahren, von einigen Trennungen auch. Viele ließen sich am späten Abend noch auf eine Runde Mario Kart oder Yoga mit mir ein oder sich zumindest zu einer weiteren Tafel Schokolade hinreißen.

Irgendwann träumte ich davon, dass Minne ein Hochbett haben sollte. Hoch oben schlafen wie in einem Baum, gemütlich wie in einem Haus. Was hätte ich als Kind dafür gegeben!

Wir beide sind handwerklich absolut unbegabt, und das ist keine Übertreibung.

Aber als er mit den Großeltern in den Urlaub aufbrach, ließen wir es realisieren – und ich liebe es bis heute und nichts anderes hätte zu uns gepasst. Das #minneandbaumhausbettprojekt ist noch heute Herzstück unserer Butze, aber eigentlich, wenn ich so darüber nachdenke, ist es die Bude selbst.

Dann kam die Bohne. Hier zu viert.

Wie Minne damals räumt er jetzt die Schubladen in der Küche aus, zieht sich an der Essbank hoch oder schiebt seinen Lauflernwagen gemächlich übers Parkett.

Ich freue mich so darüber, dass die Jungs beide das gleiche Zuhause kennenlernen. Und ich habe mich immer gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis sie verstünden, was in welchem Raum passiert. Ich meine: ob die Bohne weiß, dass man im Bad nicht schlafen kann?

Ich kenne jeden Winkel zuhause, jeden Fleck an der Wand, jede Steckdose, weiß bei jedem Fenstergriff um dessen Druck- und Knackpunkt. Das Piepsen der Spülmaschine ist mir genau so vertraut wie die scharfkantigen Ecken unserer Teekisten, Relikte aus der Junggesellenbude meines Mannes.

Unser Heiß-Kalt-Hahn in der Dusche ist vertauscht, rot ist kalt, blau warm – aber ich würde es nicht anders haben wollen. Ich liebe unsere Badewanne, egal, ob ich allein drinnen liege oder wir uns als Familie reinquetschen.

Ja, das mag sich blöd anhören oder vielleicht etwas melodramatisch, aber: der Boden unter meinen Füßen fühlt sich an wie Zuhause und jede Kerbe darin (inklusive meiner kläglichen Versuche, die ein oder andere mit einem Heißwachsset von Aldi zu reparieren) erzählt eine kleine Geschichte, nämlich unsere und wie wir vom frisch verknallten Paar langsam zur vierköpfigen Familie wurden.

Diverse Male haben wir schon Ausschau gehalten nach anderen Unterkünften. Aber ach! Was soll ich Euch sagen? Es ist wie mit einem Partner, den man liebt, und an dessen Eigen- und Besonderheiten – und mögen sie für Außenstehende noch so unverständlich sein – man sich gewöhnt hat.

Immer vergleichen wir. Ständig hört man uns sagen: „Ja, die hier wäre auch nicht schlecht… Aber so schön wie unser Zuhause ist sie nicht.“

Einmal – ein einziges Mal – haben wir unser absolutes Traumhaus gefunden, aber den Zuschlag erhielt jemand anderes. Ein Wink des Schicksals?

Es wird wirklich hart, sollten wir eines Tages doch ausziehen müssen. Es ist vielleicht ein bisschen wie mit einem alten Auto: natürlich freut man sich über das neue, weil elektrische Fensterheber und Rückfahrkamera und alles das, was die alte Kiste nicht hat. Aber gleichzeitig gibt es eben auch so viele Erinnerungen, die daran hängen, dass man den alten Bock eben doch nicht einfach so ausrangieren kann.

Unsere Oma hat mal gesagt: macht’s Euch schön zu Hause, denn wenn man gerne daheim ist, muss man nicht so oft weg sein.

Deswegen: ich freue mich sehr über unseren Urlaub hier. Aber ich freue mich noch mehr auf unser Wiederkommen.

Ich hoffe, jeder liebt sein zuhause so sehr wie wir unseres.