Die Angst, kritisiert werden zu können, ist gerade im Mutteralltag allgegenwärtig. Denn Mütter kritisieren andere Mütter nur allzu gern: Fürs Nichtstillen oder Zulangestillen, fürs Impfen oder Nichtimpfen oder Erstspäterimpfen. Für Türhopser, Fruchtzwerge, blinkendes Plastikspielzeug, Fernsehen oder zu früher Frühförderung, für Gläschenkost, Kaiserschnitte auf Wunsch und sogar für die Wahl des Sonnenschutzmittels. Stolperfallen, soweit das Auge reicht.

Deswegen war es auch noch nie leicht, Dinge zu tun oder eine Haltung zu haben, wenn man weiß, dass ein kleiner oder großer Teil der Gesellschaft eine Sache ein bisschen anders sieht als man selbst.

 

Wenn ich für jedes „Schneid‘ dem Kind doch mal die Haare, das ist doch kein Mädchen!“ einen Euro in Minnes Sparschwein gesteckt hätte, wäre ihm der Kleinwagen in zwölf Jahren sicher.

 

Leicht war aber auch schon immer öde, reiz- und wirkungslos und schon gar kein Grund, keine Haltung zu haben oder eine Meinung zu vertreten. Im Gegenteil: Diese Hürden können manchmal sogar ganz schön prickeln.

Starten wir doch mal einen einfachen, exemplarischen Selbstversuch anhand eines populären Beispiels aus dem Mütter-Universum: Das Vorstellen einer neuen Trage von BabyBjörn ist zum Beispiel immer auch ein bisschen verbunden mit einem seichten Lächeln ob eines potentiellen Shitstörmchens. Denn wenn eingefleischte Tragemamas und damit: selbsternannte Trageprofis über eine BabyBjörn-Trage scrollen, sehen viele von ihnen Rot.

Vielleicht liegt es an diesem Bild aus dem Film „Hangover“ von vor zig Jahren, das einige Damen noch immer aus der hintersten Ecke ihres Erinnerungszentrums befördern, sobald sie irgendwo den Namen „BabyBjörn“ hören: es zeigte Alan Garner, der mit einem ziemlich kleinen Baby, das mit herunterbaumelnden Beinen und dem Blick nach vorn gerichtet in der Trage hing, in die Kamera strahlte. Aus Sicht vieler deutscher Mütter eindeutig ein No-Go, klar.

Wie dem auch sei. Ich will hier ja versuchen, zu meiner wahrscheinlich eher unpopulären Meinung zu stehen: Ich find‘ deren Tragen nämlich entgegen aller Unkenrufe gar nicht so schlecht.

Denn: Die Zeiten ändern sich. Auch bei BabyBjörn. Und ich könnte Euch jetzt erzählen, dass die neue Trage absolut nichts mehr mit dem Modell von anno dazumal gemein hat und nichts mehr irgendwo baumelt außer der Seele in weichem Stoff (mit breitem Steg) und alles dieses.

Und weil das stimmt (ich hab’ Beweise!), mach ich’s einfach.

Kekse in der Tasche, abgeplatzter Nagellack auf den Fingern und eine Trage, die die Gemüter spaltet. Aber was macht eine gute Mutter aus?

 

Tatsächlich habe ich in den sechs Jahren, in denen ich jetzt mit diesem Mutterstatus durch die Weltgeschichte tingle, so viele als „Ratschlag“ verpackte Vorwürfe erhalten, wie sonst in den ganzen fünfundzwanzig Jahre davor nicht. (Und das hat nur am Rande etwas mit der teilweisen Öffentlichmachung meines Familienlebens zu tun.)

Keine Ahnung, wieso das so ist. Vielleicht liegt’s daran, dass wir alle inzwischen massiv überinformiert sind. Auch, was alle möglichen Bereiche des Elternseins angeht:

Einerseits stellen wir uns Babyphones mit Videoüberwachung auf, obwohl wir nur im Zimmer nebenan sitzen. Wir kennen zig Allergiestudien und alle Autokindersitze der Gruppe 1, die bei Ökotest durchgefallen sind. Wir googeln uns durch Schlafrhythmen, Zahnungsstadien und rote Popos und wir legen uns im Zweifel auch mit dem Kinderarzt ob diverser Diagnosen an. Jeder weiß irgendwie alles, und vor allem: jeder weiß alles irgendwie besser. Und andererseits waren wir alle schon mal in der Situation, nicht den blassesten Schimmer davon zu haben, weswegen das Baby nun weint. Wir alle waren an irgendeinem Punkt schonmal hilflos oder überfordert und haben unter der Dusche unseren Tränen freien Lauf gelassen.

Und wenn wir das Problem eines brüllenden Säuglings dann in Eigenregie behoben haben (zum Beispiel durch das Tragen in Tuch oder Trage oder durch das Rumhüpfen auf einem Gummiball vor der Dunstabzugshaube oder das Föhnen mit einem Haartrockner oder weiß der Geier was es da noch so alles gibt), und uns eigentlich auf die Schulter klopfen könnten, dann kommt irgendwer aus seinem Loch gekrochen und mosert rum: Nicht gut für Deine Hüften, nicht gut für seine Hüften, für das Kreuz oder die Bindung oder das Knie oder die Atmung oder den Weltfrieden. Und ZACK! fühlen wir uns wie die letzten Verlierer. Dabei war das, was wir gemacht haben, gar nicht falsch.

Die Bohne weiß mit anderthalb schon um den Geschmack von Schokolade. Und ich hab nichts dagegen.

 

Aber letztlich, glaube ich, sollten wir alle viel mehr nach dem Credo „whatever works“ handeln.

Denn wenn etwas für mich ganz individuell funktioniert, wenn ich ein gutes Bauchgefühl dabei habe und der Engel namens gesunder Menschenverstand das auch noch absegnet, dann entsteht aus diesem Dreiklang automatisch eine Teflonschicht, die jeder destruktiven Moserei standhält und die einen dennoch offen für neue Impulse sein lässt. Und das wiederum sorgt wahrscheinlich für ein langes, depressionsarmes Leben. Auch oder gerade wenn man einige Dinge anders handhabt als andere.

Einfach: Bisschen mehr Selbstvertrauen, bisschen mehr Mut, sich selbst zu glauben. Und bisschen weniger Rumnörgeln an anderen. Das wird gut, ehrlich.

Whatever works.

 

WINWIN!

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Ausgelost wird am 6. März 2018, so, sagen wir, nach der Tagesschau.