Habe letzte Woche mit Erschrecken festgestellt, dass Minnes Fahrradhelm zu klein geworden ist.
Aber wenn es etwas gibt, das in JEDEM Haushalt mit Bike zu finden sein sollte – und es ist mir total egal, wenn Ihr mich jetzt für einen nervigen Moralapostel haltet – dann ist es ohne Frage ein intakter, passender Helm.
Und soll ich Euch was sagen? Ich bekomme regelmäßig Tourette, wenn ich Kleinkinder helmbefreit auf ihren rostigen Puky-Laufrädern rumwackeln sehe. Auf dem engen Bürgersteig, nicht in der Lage, an der nächsten Kreuzung anzuhalten.
Und die Erwachsenen? Genau so oben ohne. Im doppelten Wortsinn, denn dann hört man ernsthaft Ausflüchte wie: „Hier kommt doch eh so gut wie kein Auto“ – und dabei ist es ja völlig offensichtlich: ein einziges würde schon reichen. Und dann wäre das Geheule nämlich groß.
Kein Witz, nicht zuletzt diesen Dingern habe ich es zu verdanken, dass meine beiden Jungs jeden Abend lebend mit mir am Tisch sitzen können. Der Minnenmacher – aber auch Minne – sind schwereren Verletzungen schon zig Mal haarscharf entkommen und das nur, weil sie immer einen Helm getragen haben.
Und meines Erachtens nach muss man das Helmtragen frühzeitig kultivieren, nämlich noch bevor irgendwer auf die Idee kommt, es könne uncool aussehen.
Also eben just dann, wenn sie unsicher auf ihren rostigen Puky-Rädern rumwackeln.
Das ist wie eine Religion.
Wisst Ihr noch, als Minne vor ungefähr einem Jahr ungebremst eine abschüssige Vorfahrtsstraße hinunter raste und im hohen Bogen über eine Böschung flog und dann mitten auf einem großen Parkplatz zum Liegen kam? Ich weiß es noch wie heute und mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich daran zurückdenke. Eigentlich müssten wir an diesem Tag zweiten Geburtstag feiern.
Minne befand sich damals so in den ersten Zügen des Fahrradfahrens und war erst wenige Wochen davor von seinem Laufrad zur Pedale gewechselt. Und er radelte vergnügt und wir waren ausgelassen und haben gequatscht und plötzlich wurde die Straße abschüssig und Minne konnte nicht mehr bremsen und er wurde immer schneller.
So schnell, dass weder der Minnenmacher noch ich in der Lage gewesen wären ihn einzuholen.
Und ich sah ihn von hinten und dachte nur: scheisse, bitte lass‘ kein Auto um die Ecke fahren, bitte nicht, bitte nicht. Denn ich wusste: wenn jetzt ein Auto um die Kurve kommt und ihn umfährt, dann kann man die Schuld nicht beim Autofahrer suchen. Das hatte ich verbockt. Ich war schuld.
Als er auf die Hecke zuraste und im hohen Bogen drüber flog, und regungslos dahinter liegen blieb und als ich wie in Zeitlupe diese Straße hinunterrannte, da dachte ich: wenn Du Glück hast, dann hat er sich nur ein paar Zähne ausgeschlagen.
Aber wenn Du Pech hast, dann steht er gar nicht mehr auf.
Scheisse. Verdammte Scheisse.
Ich bin eigentlich sonst nicht so. Ich bin nicht zimperlich, wenn es um Minne geht. Oder zumindest, sagen wir: ich bin nicht ängstlich, wenn Minne auf dem Fahrrad sitzt. Denn er fühlt sich sicher auf zwei Rädern und er wackelte mit seinem Laufrad schon durch die Gegend noch ehe er ordentlich geradeaus gehen konnte.
Und genau deswegen machte ich mir diese Vorwürfe. Ich hatte ihn überschätzt, ich hatte das auf die leichte Schulter genommen, aber er war eben doch noch aus der Ruhe zu bringen. Er war nicht so sicher, wie ich geglaubt hatte.
Scheiße, dachte ich. Wir werden jetzt auf jeden Fall ins Krankenhaus fahren müssen, so oder so. Audf jeden Fall.
Und dann, kurz darauf, da dachte ich: oh Gott, hoffentlich werden wir überhaupt noch ins Krankenhaus fahren können.
Hoffentlich lebt er noch!
Aber noch bevor ich unten ankam, da schlurfte Minne peinlich berührt hinter der Hecke hervor, popelte sich die Flora und Fauna aus dem Helm und murmelte unzufrieden sowas wie: „Mann, ey, die Leute haben echt nix in der Hose…“
Mir bleib das Herz stehen vor Freude. Wirklich. Ich hatte mit allem gerechnet – aber nicht damit.Und – Ihr könnt es Euch denken: ich war so verdammt froh um diesen Helm.
Ich war so wahnsinnig, irrsinnig froh.
Obwohl ich anfangs etwas mit den Zähnen geknirscht habe, als es ans Bezahlen ging: ein wirklich guter Kinderhelm ist nicht günstig und gerade, wenn man vielleicht nicht ganz so oft unterwegs ist mit dem Bike (oder vielleicht sogar eine Art innere Abneigung dagegen verspürt), erfordert es eine gewisse Überwindung, einzusehen, dass es trotzdem notwendig ist.
Tatsächlich gibt es wirklich keine wichtigere Investition.
Und keinen einzigen Grund, auf einen zu verzichten.