Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich unsere beiden Kinder – sowohl Minne, als auch die Bohne – seit ihrer Geburt vegetarisch ernähre. (Weswegen, das könnt Ihr hier nachlesen.)

Vor sechs Jahren wurde ich dafür nicht selten an den Pranger gestellt. Ein unverhohlenes „Wieso drückst Du dem Kleinen denn bitteschön Deine Ernährungsphilosophie auf?“ führte lange die Top-Five der Lieblingsfragen und später auch die der Lieblingskommentare an; begleitet von einem mal mehr, mal weniger ungläubigen Kopfschütteln. Als würde man mir damit durch die Blume sagen wollen: Du Rabenmutter, wie kannst Du Deinem Kind nur den herrlichen Geschmack von Königsberger Klopsen verwehren oder eine Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt? Das ist doch die reinste Willkür!

Und wenn ich dann anfing zu monologisieren, von wegen, dass letztlich ja jeder irgendeine Ernährungsphilosophie an seine Kinder weitergibt – auch diejenigen, die sich dazu entscheiden, ihr Kind „alles probieren“ zu lassen – folgte daraufhin zwar manchmal ein behutsames Nicken. Und vielleicht leuchtete kurzzeitig auch eine kleine Glühbirne über dem Kopf auf. Den Abschluss einer solchen Unterhaltung bildete aber trotzdem fast immer ein süffisantes Lächeln meines Gegenübers, gepaart mit wenig Optimismus hinsichtlich der Zukunft: „Na, warten wir mal ab was passiert, wenn Minne in den Kindergarten kommt. Oder wenn er zu seinem ersten Kindergeburtstag eingeladen wird. Und alle Kinder essen Wiener Würstchen, nur Deines nicht. Sowas kann man nicht ewig verbieten. Also, hoffentlich bist Du dann nicht enttäuscht…“

Ja, das Vermitteln von Werten oder das Haben einer Haltung beinhaltet manchmal auch Verzicht. Aber Verzicht ist nicht immer etwas Schlimmes, ganz im Gegenteil: Wie schön ist das Gefühl, das einen ereilt, wenn man weiß, dass man auf etwas verzichten kann?
Und so sehr mich diese unterschwelligen Vorwürfe auch trafen, selbst hin und wieder noch treffen: An der Richtigkeit dieses Weges habe ich nie auch nur eine Sekunde gezweifelt.

Wie fast alle Frauen liebe ich Tiere und ich kenne kein Kind, das Tiere nicht auch lieben würde. Tiere trösten und beruhigen, und sie tun der Seele des Opas im Altenheim genauso gut wie dem Teenager mit Liebeskummer.
Ob Hund, Katze oder Wellensittich: Tiere sind Freunde. Und wie könnte ich meine Freunde essen oder mein Kind glauben machen, das sei in Ordnung – wenn doch innerlich alle meine Alarmglocken schellen und mir weinende Tiergesichter im Traum erscheinen?

Tatsächlich habe ich die vegetarische Lebensweise mit dem Tag, als Minne von der Brust beziehungsweise der Flasche zu Brei übergegangen ist, viel eher als eine Art Religion angesehen und mein Augenmerk darauf gelegt, meine persönlichen Überzeugungen dazu frühzeitig an ihn weiterzugeben.
(Bereut irgendwer von Euch, als Baby getauft worden zu sein?)

Es ist nicht so, als lebten wir in einem Paralleluniversum oder in einer Filterblase, denn auch der Herr des Hauses sowie die Hälfte von Minnes Großeltern, was meint: das unmittelbare, familiäre Umfeld isst sehr wohl Fleisch. Und sie haben damit auch nie damit hinter dem Berg gehalten oder sich verstellt. Nur gab es bei jeder Grillsession, bei jeder Einkehr in die Wanderhütte, bei Geburtstagen, Ehejubiläen oder großen Familienfeiern neben den üblichen Verdächtigen eben auch ein paar vegetarische Alternativen.

Und ob Ihrs glaubt oder nicht: Minne hat in den ganzen sechs Jahren noch nicht ein einziges Mal angezweifelt oder sich darüber beschwert, dass dieser Weg, den er nun schon seit frühester Kindheit geht, der falsche sein könnte – obwohl es bislang unzählige Situationen gab, in denen er sich hätte benachteiligt oder als Sonderling fühlen können.

Aber es ist so: Die Welt geht nicht unter, wenn alle auf dem Geburtstag Wiener Würstchen essen und man selbst nur Nudelsalat oder Weißbrot mit Ketchup. Genauso wenig geht sie unter, wenn alle Erwachsenen am Tisch Bier trinken und der Nachbarsjunge mit drei Jahren sogar schon mal ein Glas Cola. Können sie doch, sollen sie doch.

Andere sind kein Maßstab.

Ich meine: Wenn Klein-Daniel eine Coke trinkt, dann deshalb, weil seine Eltern dieses in Ordnung finden.
Aber wie viele andere Eltern würden innerliches Entsetzen spüren, und es käme für sie nie infrage? Seht Ihr. Und genau darum halte ich nichts von „alles probieren lassen“.

Besonders beliebt ist und war auch die Frage, was ich täte, wenn Minne sich eines Tages umentscheiden würde. Denn nachdem wir an „Kindergeburtstag und Wiener Würstchen“ einen Haken setzen können, buchstabiert der nächste Kieselstein in der Reihe natürlich gerne sowas wie: „Und wenn er 16 ist und aus Protest zu McDonald’s geht – was machst Du dann?“

Und ehrlich gesagt: diese Frage führt ebenfalls ins Leere.
Ich meine, ich kann sie verstehen – aber was soll man darauf antworten? Was tut ein überzeugter Fleischesser, wenn sich sein Kind eines Tages zum Veganer entwickelt? Sagen, dass die Brut in jungen Jahren den Geschmack von Fleisch „wenigstens probieren“ durfte? Verhindert dieses Verhalten, dass das Kind einem später mal Vorhaltungen machen wird? Vermutlich nicht, denn genau so sehr könnte es sich wünschen, niemals auch nur ein einziges Tier gegessen zu haben. Wir wissen’s doch alle nicht. Wir können ja nicht in die Zukunft sehen. Also wo landen wir nach dieser Fragestellung? Genau: Bei der persönlichen Ernährungsphilosophie, vermeintlich aufgezwungen von jedermann. Same procedure as every year.

Jedenfalls: Nach meiner Auffassung ist das Verständnis für eine vegetarische Ernährung inzwischen deutlich gewachsen, von der ein oder anderen hochgezogenen Augenbraue mal abgesehen. Die Veganer finden es freilich inkonsequent (und ich bin auf ihrer Seite), die Fleischesser schlichtweg lächerlich.
Aber war es früher noch eine echte Challenge, Babygläschen zu finden, die gänzlich ohne Schwein oder Rind auskommen, stehen heute im gut sortierten Supermarkt mit einem gewissen Selbstverständnis die deutlich als „vegetarisch“ deklarierten Schraubgläschen neben Rinderragout und fertiger Bolognesesoße. Das ist für mich ein Schritt in die richtige Richtung.

Eine Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang allerdings sehr gerne gefallen lasse, weil ich sie für absolut berechtigt halte, ist die nach den notwendigen Nährstoffen. Denn nur allzu oft hört man von einer Mangel- oder Unterversorgung bei Kindern. Allerdings betrifft das weiß Gott nicht nur die Vegetarier oder Veganer, denn ob Leberwurst auf Weißbrot oder Ferdi Fuchs im Plastikdarm dem Körper so viel mehr geben als eine gebackene Süßkartoffel mit Räuchertofu, darüber kann man sich streiten.

Ich meine, sagen wir’s, wie’s ist: Letztlich essen wir Erwachsene meist das, was uns schmeckt oder aber temporär der Seele (und während einer Diät dann wieder: den Hüften) gut tut. Also meist Reis, Nudeln, Schokolade, Salat und der ein oder andere eben auch Steak, Salami oder Seitan.

Unabhängig von der eigenen Ernährungsphilosophie oder dem persönlichen Geschmack möchte ich wetten, dass die allerwenigsten von uns wirklich wissen, welche Nährstoffe welche Lebensmittel in welcher Menge enthalten. (Kein Vorwurf an irgendwen, ich sitze auch in diesem Boot.)

Für die Entwicklung von Kindern, sprich: Menschen im Wachstum, ist das allerdings nicht ganz unerheblich und wirkt sich – der Beweis sind wir selbst – auch prägend auf das gesamte weitere Leben aus.

Bei meiner Recherche zu diesem Thema bin ich über eine ganze Reihe an informativen Websites gestolpert und letztlich hängen geblieben bei 1000tage.de.

Ursprünglich ins Leben gerufen von Milupa beschäftigt sich die im wahrsten Sinne des Wortes als „Snack Content“ aufbereitete Seite mit der Ernährung von Kindern in den ersten tausend Tagen ihres Lebens (angefangen bei der Schwangerschaft) und klammert dabei auch den Satansbraten Nährstoffmangel nicht aus. Allerdings ohne dabei Partei für Fleischliebhaber, Vegetarier oder Veganer zu ergreifen, was mir persönlich sehr sympathisch ist. Außerdem gibt es dort Unmengen an Rezepten für nahezu jede Lebensphase in dieser Zeit, ebenfalls kategorisiert in Fisch, Fleisch und vegetarische Kost. Und alle für lau, versteht sich.

Neu war mir bis vor kurzem beispielsweise, dass die Zufuhr von Jod (unerlässlich für die Bildung der Schild­drüsen­hor­mone, die bei Kindern unter anderem für das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns von Bedeutung sind) als auch die von Vitamin D (gut für die Knochen, ist mir noch von irgendeiner früheren Fruchtzwerge-Werbung in Erinnerung) über die Nahrung zum Teil erheblich unter den empfohlenen täglichen Werten liegt:

„Im Schnitt werden pro Tag nur 51 Prozent der empfohlenen Jod- und sogar nur 6 Prozent der empfohlenen Vitamin D-Zufuhr über die Kleinkinderernährung gedeckt. Der Grund hierfür ist oft in einem unausgewogenen, zu einseitigen Speiseplan der Kleinkinder zu finden.

(…) Es klingt einfach, zu fordern, dass Kleinkinder mit selbst zubereiteten Mahlzeiten aus hochwertigen, naturbelassenen Lebensmitteln versorgt werden sollten. Die Realität zeigt jedoch, dass Kleinkinder in Deutschland durchschnittlich zu wenig Gemüse und kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Kartoffeln oder Vollkornbrot essen. Nahrungsmittel mit „leeren Kalorien“, z. B. Süßigkeiten, Weißbrot und Backwaren sowie eiweiß- und salzreiche Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Käse hingegen zu viel gegessen werden. All das kann dazu führen, dass in der Ernährung von Kleinkindern oft lebenswichtige Nährstoffe als Basis für eine gesunde Entwicklung fehlen.“

Es zeigt sich relativ schnell, dass Kinder eben keine „kleinen Erwachsenen“ sind, auch wenn ich selbst großer Fan davon bin, sie so zu kleiden: Ihr Magen ist mitunter gerade mal so groß wie eine Mandarine, der Nährstoffbedarf im Vergleich zu uns Erwachsenen aber doppelt bis fünfmal so hoch.
Allerdings ist es natürlich wilde Theorie, dass jede Mutter oder jeder Vater Tag für Tag zusammenrechnen, welche oder wie viele Nährstoffe das Kind zu sich genommen hat.

Aber: Wenn man sich mal ein bisschen einliest, dann bildet sich eine Faustregel ab, die da lautet: Täglich 120 Gramm Gemüse plus 120 Gramm Obst sind eine verdammt gute Grundlage für eine gesunde und dem Alter angepasste Versorgung mit dem, was ein Kind zum Wachsen und Gedeihen braucht. Das entspricht etwa fünf Kinderhände voll mit buntem Obst oder Gemüse über den Tag verteilt, etwa 7 größeren Weintrauben oder zwei Apfelspalten oder aber einer halben Mandarine.

Merke: eine ausgestreckte Kinderhand entspricht etwa einer Portion und die Hand wächst ja praktischerweise mit dem Kind mit, weswegen sie einen guten Richtwert zur Bestimmung von Portionsgrößen bietet.

  • 1 Handvoll für Gemüse oder Obst

Ob Obst, Gemüse, Fleisch oder Brot: Eine handgroße Portion für ein Kind ist automatisch kleiner als für einen Erwachsenen.

  • 2 Hände zur Schale gehalten

Das ist die Portionsgröße für kleine Obstsorten, geschnittenes Gemüse, Kartoffeln, Nudel oder Müsli.

  • 1 Handfläche mit ausgestreckten Fingern

Sie bestimmt das richtige Maß für eine Portion Brot.
(Quelle: 1000tage.de)

In diesen Zusammenhang oft vergessen wird auch die Zufuhr von Flüssigkeit, obwohl Kleinkinder zu 75 % aus Wasser bestehen. (Und die restlichen 25 % bilden im Falle der Bohne die Haare.) An Wasser oder ungesüßten Tees werden über den Tag verteilt etwa 6 Male je 100 ml empfohlen – und dass selbst Blumen von Cola eingehen wäre für mich an dieser Stelle übrigens Beweis genug, dies dem dreijährigen Nachbarsjungen zu verbieten, anstatt ihn „alles probieren zu lassen“. Macht halt jeder anders, gell?

Bevor ich Euch jetzt aber letztlich nur das rezitiere, was ich mir selbst angelesen habe, lege ich Euch gleich 1000tage.de ans Herz, zusammen mit einem Rezept für Kartoffelmaultaschen mit Apfel-Birnen-Ragout (findet Ihr hier). Die Bohne verweigert ja seit jeher – und auch nach wie vor – jegliche Darreichungsform von Brei und isst seit Beendigung der Stillzeit quasi vom Tisch mit. Deswegen freue ich mich immer sehr, wenn ich einfach umsetzbare Rezepte finde, die allen Familienmitgliedern schmecken und trotzdem niemand daran erstickt.

Und lasst mich, bevor ich zum Ende komme, noch schnell ein paar der letzten beliebtesten Fragen beantworten:

Stichwort: Eisenmangel.
Um dem möglicherweise aufkeimenden Eisenmangel von Minne vorzubeugen, haben wir seinerzeit sehr gerne mal ein Glas Rotkäppchensaft zum marmeladebeschmierten Vollkornbrot gereicht. Einer möglichen Eisenunterversorgung wegen extra überwachen lassen haben wir ihn jedoch nie.
Er hat schon immer eine gesunde Gesichtsfarbe, ist selten krank und geistig uns körperlich fit. Gleiches gilt für die Bohne. Auch bei ihr werden wir es so handhaben; da sind wir uns alle einig.

Stichwort: Süßkram.
Gummibärchen und Kaubonbons werden hier hin und wieder genau so gereicht wie anderswo auch. Katjes hat ein ganzes Sortiment an Gummikram ohne Gelatine und Mamba schmeckt fast wie Maoam, ist im Gegensatz dazu aber auch vegetarisch und liegt im Supermarktregal direkt nebenan. Minne selbst achtet mittlerweile eigenständig darauf und fragt nach, wenn er irgendwo etwas geschenkt bekommt. An Halloween, Fasching oder wo auch immer sonst man alles mögliche einsacken kann, setzen wir uns abends an den Tisch und sortieren aus: Tütchen von Haribo, Trolli oder Nimm2 werden ohne Diskussion an Opas oder Nachbarskinder weiterverschenkt oder getauscht, der Rest wie ein Schatz gehütet und mit großer Freude vernascht.

 

Letztlich, wisst ihr, muss das natürlich jeder selbst wissen. Es liegt mir auch nichts ferner als zu missionieren – aber vielleicht kann ich den ein oder anderen von Euch ja zumindest inspirieren. Sollte dem so sein – und auch, wenn nicht – freue ich mich auf Eure Kommentare und Gedanken dazu. Gerne direkt unter diesem Posting und nicht wie sonst per Instagram oder Facebook, denn da habe ich in den letzten Tagen vermehrt Nachrichten ob einer Zensur seitens der Plattformen bekommen.

Ich verspreche hoch und heilig, auch die Meinungen gelten zu lassen, die nicht meiner eigenen entsprechen, solange die Formulierung eine gewisse Nettiquette wahrt. 🙂

Hey, danke fürs Hiersein und Lesen!