Dieser Kerl ist die personifizierte Süßness überhaupt. Und kein Witz: er macht es einem so derart leicht, ihn zu lieben. Weil: er sieht halt nicht nur aus, wie er aussieht, sondern ist dazu noch das wahrscheinlich liebste Baby auf der ganzen, weiten Welt.
Nur kann ich Euch das nicht erzählen, weil es mir erstens: wahrscheinlich niemand glaubt und ich damit zweitens: ein Bild von uns zeichne, von dem ich eigentlich auch nicht will, dass es jemand glaubt.

Das wollte ich neulich schon sagen, als sich unter einem der letzten Instagram-Bilder ein Haufen Komplimente ansammelte.

Nämlich: dass ich es toll finde, dass auf diesem Kanal nicht andere bestimmen, wie das Bild von mir aussieht, das die Außenwelt wahrnimmt.

Aber auch: dass ich nicht will, dass irgendwer glaubt, bei uns ginge es ernsthaft anders zu als – bei Euch.

Ich meine: es ist Instagram. Es ist Facebook. Meinetwegen ist es auch Snapchat. Aber: es sind alles reine Selbstdarstellerplattformen. Die einen erreichen mit ihrem Image vielleicht mehr Menschen als die anderen, können vielleicht massenkompatiblere Fotos machen oder die trivialsten Alltagsbanalitäten in blümerantere Worte kleiden.

Das ist schön, weil man damit auch immer ein Stückchen Hollywoodmovie in der Hosentasche hält. Es ist wie eine kleine Welt, in die man flüchten kann, wenn man traurig ist oder Inspiration sucht oder auch einfach nur für fünf Minuten alleine auf dem Klo sitzt und sich berieseln lassen will.

Nur: es ist maximal ein Ausschnitt, meistens ein sehr kleiner und besonders hübscher, der da gezeigt wird. Denn jeder von uns hat diese eine besonders schöne Ecke in der Bude oder diesen Stuhl, den er extra für das Foto frei räumt.

Jeder wuschelt dem Kind vorher noch mal durch die Haare, zieht die T-Shirt-Falte über dem Po glatt oder tippelt im Krebsgang mit dem Handy um den Küchenherd, das Sofa oder die Sonnenliege herum, bis auf dem Display ein Foto auftaucht, mit dem man sich irgendwie arrangieren kann. Das man hier und da noch aufhellen und mit dem Zuckerguss der Filter überziehen kann. Mit dem man sich wohlfühlen kann, irgendwie. Und niemand mag weiße Schuhe dreckig sehen.

 

Jeder von uns ist darauf bedacht, sich und seine Familie als möglichst cool und gewinnend darzustellen. Oder als besonders tiefgründig und hinterfragend. Oder besonders bildungsbürgerlich und bodenständig. Was auch immer – aber jeder zeichnet eben das Bild, das er gerne selbst von sich sehen würde.
Das bedeutet nicht, dass das, was man da sieht gelogen ist. Es bedeutet nur: der größte Teil links und rechts und oben und unten von diesem Ausschnitt ist nicht besser oder größer oder toller als man selbst. Als man selbst und sein eigenes, kleines Leben. Denn wenn wir mal ehrlich sind, dann haben wir alle nicht mehr als unser eigenes, kleines Leben. Die einen eben alleinerziehend in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen, die anderen mit Patchwork oder eigenem Gärtner in einem gemieteten Einfamilienhaus am Starnberger See. Aber es ist eben immer die Frage, wie man es verkauft.

Das Bild, das man online von sich zeichnet – oder das, wenn man nicht aufpasst, von einem anderen gezeichnet wird – hat meiner Erfahrung nach nur wenig oder zumindest: nicht zwangsläufig auch etwas mit dem Bild zu tun, das vielleicht meine Nachbarin von mir hat. Oder meine beste Freundin. Oder wer auch immer sonst.

Ich meine, ich will nur nicht, dass Ihr denkt, dass es anderswo besser zugeht als bei Euch, wisst Ihr?

Anderswo vergisst man nämlich auch die neue Klopapierrolle nachzuhängen oder frisches Brot fürs Frühstück zu kaufen. Und deswegen bekommen die Kinder an vier von sieben Tagen Cornflakes vom Aldi, ohne essbare Blütenblätter und ohne handverlesene Walderdbeeren obendrauf. So null instaworthy. Und die Socken werden auch zwei Tage hintereinander angezogen und so ganz genau sollte man vielleicht nicht unter den Schrank gucken. Oder an die Wand, ob da nicht noch ein bisschen eingetrocknete Tomatensoße von vorgestern hängt. Vor allem, wenn man vorgibt Kinder zu haben.

Anderswo wird’s auch laut, gibt’s auch Streit, anderswo verlieren Mütter genau so die Fassung wie Ihr oder denken bei diesem Song von Creed an ihre Jugendliebe. Und es wäre ein Trugschluss, zu glauben, die überbelichtete Instagramcommunity läge den ganzen Tag über in einer pieksauberen und dennoch mit Seele und Kunst erfüllten Wohnung oder unter dem sternbehangenen Baldachin oder auf der saftig grünen Wiese und sie lesen sich einander die schönsten und am liebevollsten illustrierten Kinderbücher vor. Und alle sind fröhlich und lustig und lachen wie in einer Margarinewerbung. Nicht zu laut natürlich, nicht so, dass man das Zahnfleisch sieht oder die Petersilie dazwischen.

Nur so ein bisschen.

Denn niemand macht das. Jeder muss seine Brötchen verdienen, irgendwie, den Müll rausbringen, die Slipeinlage wechseln. Jede-r. Und hinter jedem süßen Neugeborenen, das auf Instagram in einem Moseskörbchen liegt oder auf einem weißen Fell aus Kunstfasern, steht auch eine Frau mit Netzunterhose, mit Ringen unter den Augen, und die sich wünscht, die Welt würde sich für einen kurzen Moment aufhören zu drehen. Und auf sie warten. Und ihr Mann würde in der Nacht an ihrer Stelle aufstehen und es sehen – aber er tut es nicht. The grass is always greener on the other side, oder?

Ich habe schon einige InstagramerInnen getroffen und es geht wirklich überall gleich zu:

der verblassende Concealer gibt nach drei Stunden den Blick auf die gleiche fettig-glänzende Stirn frei wie ich sie selbst habe und auch Bloggerkinder werden angeblafft, wenn sie ein-fach kei-ne Ohren haben.
Jeder verhaspelt sich mal beim Reden oder verkippt den Kaffee währenddessen oder sagt Dinge, die man gar nicht so meinte, obwohl man sich gut vorbereitet fühlte.

Jeder. Es ist überall gleich.

Niemand macht alles richtig.
Und ich weiß, dass Ihr das eigentlich auch wisst, aber als sich da kürzlich diese Lobeshymnen unter irgendeinem Bild sammelten, da kam ich mir irgendwie vor wie jemand, von dem man glauben müsste, er macht alles richtig. Und das stimmt nicht. Das tue ich nicht. Und na klar erzählen wir Minne von gleichgeschlechtlicher Liebe und von Toleranz und ich würde mich freuen, wohnten bei uns in der Nähe ein paar Flüchtlingskinder, mit denen er spielen könnte.
Aber ich war und bin auch oft ungerecht – zu ihm und zu anderen – und ob alle Werte, die wir so vermitteln, immer die richtigen sind, das wird sich auch erst in einigen Jahren herausstellen.

Jedenfalls: hatte ich bereits erwähnt, dass die Bohne heute drei Stunden Mittagsschlaf hatte? Und sie wachte erst um halb sieben am Abend wieder auf. Und gegen zweiundzwanzig Uhr entstand dieses Foto. Und hier ist deswegen jetzt die Bildbeschreibung, mit der ich Euch hier her locken wollte. Sie lautet:

 

„Dafür mussten wir eben den Küchentisch zur Seite rücken. #hallowach“

 

 

die Küche habe ich bei tausendkind.de gefunden, den Teppich bei ikea, Bohnens Shorts letztes Jahr bei stadtlandkind.ch