Habe Minne heute vom Kindergarten abgeholt.
Frage ihn, wie’s war, antwortet er so:
„Die Mia, die Leni, die Emily und die Sophie haben mich die ganze Zeit „hübschester Mann“ genannt und dann bin ich immer vom Stuhl gefallen.“

Minne strahlt bis über beide Ohren.

„Und dann wollten sie mich festhalten und küssen.“

– „Oh, okay, und – war das cool?“, hake ich nach. …

Fühle mich innerlich schon wieder so, als spräche ich mit einem Zwanzigjährigen.

Wo ist bloß seine Lederjacke? Liegt die noch im alten Mitsubishi?

Minne gerät ins Plaudern: „Wir spielen immer ‚Jungs gegen Mädchen‘ – und heute haben Ferdinand und ich eine Schatzkarte gemalt, aber in Wahrheit war es eine Fallenkarte für die Mädchen.“

– „Eine Fallen-Karte?“, wiederhole ich.

 

„Ja, damit sie uns ins die Falle gehen. Damit sie uns küssen können.“

 

Er strahlt noch immer.

Diese Relevanz des anderen Geschlechts, diese Romantisierung im Kindergartenalter ist harter Tobak für mein Mamaherz.

Will gar nicht wissen, wie das in 7, 8, 9 Jahren läuft.

Ich weiß nur: ich bin noch nicht so weit.

Das Gedankenspiel, dass Minne schon volljährig ist und wir in oberallerbestem Mama-Sohn-Verhältnis stehen und er mich vom Flughafen abholt (Stichwort: Töpferkurs in der Toskana), und für uns drei in seiner Single-Küche kocht, das kann ich gut und gerne zulassen.

Aber alles, was davor kommt?

Was mit dazugehört?

Nächte, in denen ich wach liegen werde, bis sich der Schlüssel im Schloss dreht, immer in der Angst, dass er sich eben nicht umdrehen wird, weil sich Minne vorher auf irgendeiner Landstrasse um einen Baum gewickelt hat.

Oder dass er mit den falschen Leuten absteigt.

Oder dass ihm ’ne Ische ’n Kind andrehen könnte, für das er sein Leben lang aufkommen muss.

Oh Gott, es könnte so viel passieren!

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen werde, und es ist mir fast schon ein bisschen peinlich, aber: je älter Minne wird, desto mehr kann ich nachvollziehen, wie sich meine Eltern gefühlt haben müssen, welche Ängste sie ausgestanden haben müssen.

Wie haben die das gemacht?

Wie konnten die auch nur ein Auge zumachen, wenn ich alleine draußen unterwegs war?

Wenn ich auf Partys eingeladen war?

Wenn ich Jungs kennengelernt habe?

Und werde ich überhaupt jemals soweit sein?

Minnes Pullover ist von PomBerlin, die Jeans von Zara, die Schuhe von adidas.